Die Arbeit mit Bildkarten wird einem heute vermeintlich leicht gemacht. Zu sehr vielen Themen gibt es entsprechende Kartensets zu kaufen, meist mit einem Booklet mit Anwendungsvorschlägen. Dabei verhält es sich ähnlich wie beim Unterschied zwischen einem Buch mit Bildern und einem Bilderbuch. Beim ersten geht es um die Illustration von Inhalt, beim zweiten sprechen die Bilder selbst. Ich zog los für letzteres.
Über ein Jahr lang ging ich konkret der Frage nach, wie Bildkarten im Coaching wirken können, um das Gefühl des Verankertsein zu bestärken. Was für eine spannende Reise! Ich habe mich in zwei meiner Hauptthemen vertieft, gelesen, gesichtet, erprobt, verworfen, verbessert und die Ergebnisse schlussendlich an der Berufsprüfung zur betrieblichen Mentorin erfolgreich präsentiert.
Eine unschlagbare Kombination
In meinem Blog findest du bereits sowohl einige Artikel zum Verankertsein (z.B. wieso der Bambus Wurzeln braucht), wie auch zur Arbeit mit Bildkarten. Und nun zeige ich dir auf, wie Bilder als Impulsgeber im Unbewussten dafür genutzt werden können, dich in herausfordernden Situationen zu unterstützen.
Ich habe mich in diese Kombination vertieft, weil es genau das ist, was Anker 11 ausmacht: Stark in der Unterstützung bei Herausforderungen und in Krisensituationen und das mit einer Methodenvielfalt, die darauf ausgerichtet ist, dich über rein rationale Gespräche hinaus zu begleiten. Ich bin überzeugt davon, dass sich neue Handlungsräume besser erschliessen lassen, wenn Herz und Verstand als Team zusammenarbeiten.
Lies gerne mehr dazu bei "mit Verstand und Intuition".
1: Das Gefühl von Verankertsein
Wenn du noch gar keine Vorstellung davon hast, was mit Verankertsein gemeint sein könnte, dann stell dir einfach mal vor, wie es dir erginge, wenn in deinem Leben plötzlich oder schleichend ein Ereignis eintritt, das dir ein Stück vom Boden unter den Füssen wegzieht. Vielleicht kennst du das auch bereits. Wie gut wäre es dann, wenn du stabile Anker in Form von Handlungsmöglichkeiten hast, um dich zu beruhigen, die dir Sicherheit vermitteln und dich stärken?
Es gibt viele Ansätze, die sich genau damit beschäftigen. Die Resilienzkonzepte, positive Psychologie, Traumapädagogik und Neue Autorität sind nur einige Beispiele dafür. Das sind grossartige Ansätze mit Tiefenwirkung. Sie sind mir im Coaching immer wieder wertvolle Begleiter und waren es auch dann, als es darum ging, meine Definition von Verankertsein und die Vorgehensweise dazu aufzustellen. Systemisches Coaching beinhaltet, dass du selbst darüber entscheidest, was und wieviel davon du brauchst. Es braucht daher immer flexible Herangehensweisen. Entscheidende Anfangshinweise für die Umsetzung meiner Vorstellung von Verankertsein lieferten die 4 Grundpfeiler aus der Gründerzeit der Neuen Autorität: Präsenz, Selbstbestimmung/-kontrolle, Unterstützer und Beharrlichkeit. Die Neue Autorität ist vor allem eine systemische Haltung. Auf diesem Hintergrund, und unter dem Einbezug von Anteilen der erstgenannten Ansätze, entstand ein Verständnis von Verankertsein, dass sich auszeichnet durch:
• gibt Halt und Sicherheit
• dient der Selbstregulation
• ermöglicht es, sich als wirksam zu erleben
• nutzt Ressourcen
Überprüfe gerne mal für dich selbst: Wenn du dir eine herausfordernde Situation in deinem Leben vorstellst, und diese 4 Punkte schon mal zur Verfügung stünden, - du dich also sicher und orientiert fühlst, deine Emotionen regulieren kannst, dich als wirksam im Handeln erlebst und auch in schwierigen Zeiten weisst, was deine Ressourcen sind und sie nutzen kannst -, wie geht`s dir dann?
Die meisten Menschen verfügen bereits teilweise über starke Grundlagen und es geht ihnen eher darum, einen bestimmten Bereich zu beleuchten. Manche kennen zwar ihre Ressourcen, werden jedoch in bestimmten Situationen überrannt von Impulsreaktionen, andere waren jahrelang erfolgreich im Handeln und plötzlich funktioniert die gewohnte Strategie nicht mehr, usw. - Im Coaching klären wir zu Beginn, worin dein Anliegen besteht und von dort aus wird gestartet.
2: Wirkungsweise von Bildkarten im Coaching
Die Bildkarten: Sie entfalten dann Wirkung, wenn sie emotional ansprechen. Ein Bild, das einem einfach belanglos erscheint, wird nicht die unterstützende Wirkung erreichen können, die hier angestrebt wird.
Sehr vereinfacht dargestellt, funktionieren Bildkarten so wie in meiner Abbildung. Ein Bild kann eine Brücke zum Unbewussten* bauen. Dadurch können Erinnerungen reaktiviert werden, Erkenntnisse gewonnen werden und/oder es zeigen sich körperliche Signale in Form von somatischen Markern.
Letztere stammen aus einer Theorie von A. Damasio. Er erläutert u.a., dass somatische Marker (Körperreaktionen) entstehen, wenn anhand von Inhalten aus dem sog. emotionalen Erfahrungsgedächtnis eine Bewertung stattfindet, ob wir etwas positiv oder negativ finden. Das emotionale Erfahrungsgedächtnis speichert seine Inhalte "nichtsprachlich". Ein Bild kann hier einen Zugang finden. Die Ergebnisse äussern sich dann jedoch eben nicht über einen rationalen Gedanken, sondern blitzschnell mittels einer Körperempfindung. Ein bekanntes Modell, welches mit diesen Rückmeldungen anhand von Bildern arbeitet, ist das Zürcher Ressourcenmodell. Hier steht explizit die Ressourcenorientierung im Vordergrund, welche ebenfalls einen Teil des Verankertseins ausmacht.
Mit all diesen gewonnenen Wahrnehmungen und Gedanken kann nun im Coaching weitergearbeitet werden. Einen wesentlichen Anteil am erfolgreichen Arbeiten mit Bildkarten haben die systemischen Fragen, die jeweils dazu gestellt werden. Würden diese alleine nicht auch ausreichen? Ja, manchmal sicherlich. Gute Fragen sind ebenfalls emotional anschlussfähig und lösen innere Bilder aus. Aber: Mit Bildkarten gelingt es oft einfacher, sich von der vernunftbasierten Bewertung kurz zu lösen und Neues zu entdecken. Dessen ungeachtet ist es eine vielschichtige Anregung, die Spass machen, eine Freude bereiten und eine Abwechslung bieten kann. Darüber hinaus lädt es zum direkten Handeln ein.
*im alltagssprachlichen Sinne von "alles, was nicht oder nicht mehr verstandsmässig bewusst ist".
3: Kartensets - worauf kommt`s an?
Im Zuge meiner "Erkundungstour" habe ich sehr sehr viele Bildkartensets gesichtet und teilweise in Coachings erprobt. Man könnte meinen, es sei ein einfaches Unterfangen und man könne sich schnell mal selbst ein Set mit Bildern aus Bilddatenbanken zusammenstellen. Ich rate davon ab. Es gibt Bedingungen, die meines Erachtens erfüllt sein müssen, damit im Coaching erfolgreich vertiefend mit Bildern gearbeitet werden kann.
Ein sehr wesentlicher Punkt: Die Motive müssen genügend Spielraum lassen und interpretationsoffen sein. B. Schuler beschreibt das in ihrem Buch mit dem wunderbaren Ausdruck des "offenen Gefässes". Das Bild ist nur ein Bild - jede Person bestimmt selbst, was sie darin sieht und welche Bedeutung sie ihm zumisst. Wenn ich nun als Coach selbst alle Bilder auswähle, bewerte ich bereits auf Grund meiner eigenen Erfahrungen. Gewiefte Leser:innen werden sagen, dass das ja auch passiert in der Auswahl eines käuflichen Sets und durch die eingeschränkte Materialauswahl im Coaching. Das stimmt - es bleibt ein Kompromiss welcher solche Hindernisse nicht gänzlich auszuräumen vermag.
Gibt es ein "one fits for all" Set??? Nein, leider nicht. Es gibt nicht das ultimative Set, welches für alle und alles passt. Die gute Nachricht ist: Es braucht auch nicht jedes, welches gerade auf dem Markt verfügbar ist. Meine Empfehlung für Coachs und Berater die offen mit Bildkarten arbeiten wollen geht dahin: 1 gemischtes Set mit allerlei interpretationsoffenen Motiven, 1 Set mit Fokus auf Ressourcen, 1x Tierkartenset und Ergänzungen nach inhaltlichem Bedarf und Vorlieben.
Weitere Qualitäts-Merkmale können Druck, Veredelung, Grösse, Blattstärke und Haptik sein. Ich lege Wert auf eine gute Qualität, da sonst schnell Unwegsamkeiten auftreten können. Der Effekt der schnellen Entscheidung ist beispielsweise zunichte, wenn das Motiv nicht erkannt werden kann oder die Karten nicht leichtgängig durch die Hand laufen können.
Zusammengefasst müssen die Karten folglich so gut sein, dass der Flow bei der Auswahl nicht gestört wird durch Ablenkungen, die auf das Material und die Motive zurückzuführen sind. Das Unbewusste trifft Entscheidungen schnell und spontan - das bedeutet, dass sofort erkannt wird, ob eine Karte vielleicht in Frage kommt. Kommt es zu Verzögerungen, setzt unter Umständen bereits wieder das rationale Denken ein. Das bedeutet nicht, dass der Verstand aussen vor gelassen werden soll. In der praktischen Anwendung schlage ich als Vorgehensweise vor, dass zunächst eine spontane Auswahl an möglichen Karten erfolgt und danach eine (auch) überlegte Reduktion auf die Anzahl, die gerade gebraucht wird. Damit wird beidem Rechnung getragen.
Konkrete Empfehlungen für Kartensets sind schwierig abzugeben. Es kommt auf den Einsatzzweck an: Je nach dem ob für das persönliche Verankertsein eher eine Ressourcenerweiterung, Veränderung, Beziehungsgestaltung etc. im Fokus steht, eignet sich das eine oder andere Set besser. Vielleicht schreibe ich mal eine Liste mit meinen subjektiven Empfehlungen. Bis dahin könnt ihr mich gerne einfach anschreiben.
4: Alles zusammen: Verankertsein mit Hilfe von Bildkarten
Wie funktionieren nun Bildkarten als wirksame Unterstützung für das Verankertsein?
Um dies zu beantworten, habe ich mich mich zunächst nochmals vertieft in die einzelnen Kennzeichen des Gefühls von Verankertsein. Frag dich gerne selbst: Was macht es aus, dass sich Menschen z.B. gut orientieren können, sie sich sicher in ihrem Umfeld bewegen? Was ist hilfreich, um jene spontanen Impulsreaktionen zu durchbrechen, die man im Nachhinhein oft unpassend findet? u.v.m.
Mit vielen solcher Fragen, die jede einzelne konkret auf das Gefühl von Verankertsein zielt, habe ich mich aufgemacht und an die zweihundert Methoden mit Bildkarten durchforstet. Mir gut gesinnte Freiwillige und teilweise auch Kunden und Kundinnen gaben Rückmeldungen zu einzelnen Methoden. Ich musste feststellen, dass einige Methoden nur in meinem Kopf funktionierten, nicht aber in der Praxis. Diese wurden entweder verworfen oder angepasst. Am Schluss blieben genug übrig, bei welchen das grosse Zusammenspiel funktionierte:
👉 systemischen Fragen zu einem bestimmten Bereich des Verankertsein - methodische Herangehensweisen - geeignetes Bildkartenmaterial
Beispiele:
Beispiel 1: Sich seiner selbst sicher sein ist etwas, das Halt und Orientiert gibt. Es erhöht sofort die Präsenz, wenn ich für mich gut einstehen kann. Dazu braucht es eine Wahrnehmung gegen innen und aussen. Mit Hilfe von Bildkarten (und Fragen) können beispielsweise sehr gut Werte erkundet werden - was ist mir wichtig, wofür stehe ich ein, was könnte ich davon öfters zeigen, usw.?
Beispiel 2: Um über seine Reaktionen, vor allem über diejenigen, die man lieber nicht hätte, bestimmen zu können, braucht es mehrere Sachen. Es geht einerseits darum, Auslöser zu erkennen (Reize) und etwas wie einen "Unterbrecher" zur Hand zu haben um sich selbst stoppen zu können. Bildkarten können hier wichtige Hinweise geben. Persönliche "rote Knöpfe" werden erfahrungsgemäss schnell identifiziert, hilfreiche Unterbrecher brauchen meist etwas länger.
Beispiel 3: Ein Klassiker aus dem ressourcenorientierten Arbeiten: In Krisen fühlen sich Menschen oftmals eingeschränkt/wirkungslos in ihren Handlungen. Nachdenken führt eher noch zu Grübeln, manchmal zu weiterer Selbstabwertung. Hier können Bilder, zusammen mit positiv ausgerichteten Fragen, neue Handlungsoptionen aufzeigen. Manchmal einfach dadurch, dass das Unbewusste eben sehr schnell ist und dich selbst in düsteren Momenten etwas anspricht und an etwas kraftgebendes erinnert.
Nochmals in Kürze zusammengefasst:
Bildkarten auf dem Foto sind aus "Burnout-Prävention, das KartenSet", Fräntzel und Johannsen, 2023
Abschliessend noch ein paar Worte zur Verantwortung als Coach: Wer in dieser Weise mit Bildkarten arbeitet, muss sich bewusst sein (und das handhaben können), dass teilweise heftige Emotionen ausgelöst werden können. Das unterscheidet sich grundlegend z.B. vom Einsatz von Bildkarten als Icebreaker in einer Gesprächsrunde. Auch reine Ressourcenarbeit, im Sinne einer Suche nach allem was hilft, ist mit entsprechendem Bildmaterial weniger exponiert. Ich habe jahrzehntelange Erfahrung im professionellen Umgang mit Menschen in herausfordernden Situationen und bin entsprechend ausgebildet - ein Qualitätsmerkmal von Anker 11 Coaching Solothurn.
5: Die Reise geht weiter
War`s das? Nein, sicherlich nicht. Ich bin überzeugt davon, dass nachhaltige Veränderung emotionale Ansprache braucht. Dazu arbeite ich im Coaching, Training und Beratung mit verschiedenen Tools und Methoden. Es kommt Neues dazu, Bewährtes wird verfeinert. Das ist ein Prozess. Genauso wie Coaching an und für sich. Wir entwickeln uns beide weiter in der Auseinandersetzung mit dem, was wir tun.
Wenn dich der Artikel angesprochen hat und du gerade ein Thema hast, mit dem du dich auseinandersetzen willst - melde dich anker@anker11.ch .
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