Der Unterschied zwischen Fragen und worauf es wirklich ankommt, damit Fragen ihre Kraft entwickeln können.
Wenn ich jemandem erkläre, wie ein Coaching konkret funktioniert, sage ich manchmal: "Vor allem werde ich viele Fragen stellen". Ich habe zu dem Zeitpunkt noch keine Ahnung, welche das sein werden. Wovon ich überzeugt bin ist, dass sie mein Gegenüber, den Coachingprozess und mich selbst weiterbringen.
Es gibt einiges an Literatur zum Thema "Fragen, Fragen stellen" und allgemein zu Kommunikation.
Zunächst ein kleiner Ausschnitt spannender Frage-Arten :
lösungsorientierte W-Fragen: Sie sind darauf ausgerichtet, was, wer, womit usw. eine gewünschte Veränderung, ein Ziel erreicht werden kann. Warum-Fragen beginnen zwar auch mit "W", sollten jedoch äussert sparsam eingesetzt werden. Sie sind meist rückwärtsgerichtet und Antwortende meinen sich rechtfertigen zu müssen. Im Coaching gibt es für letzteres keinen Anlass.
zirkuläre Fragen: Mit diesen Fragen können Nichtanwesende und somit das System mit einbezogen werden. Sie wirken unterstützend, wenn es darum geht, verschiedene Positionen und Sichtweisen einzunehmen oder ein mögliches Verständnis dafür aufzubauen.
Skalierungsfragen: Eine Art von Wahrnehmungs-Check, auch für die Fragenden. Durch Skalierungen kann ich beispielsweise mehr darüber erfahren, wie jemand sich selbst einschätzt, wie weit die Distanz zum gewünschten Zielpunkt ist, wie gross das Zutrauen für mögliche Schritte ist u.v.m.
Ressourcenorientierte Fragen: Sie geben Aufschluss über bereits Vorhandenes und hilfreiches für den weiteren Weg. Darin steckt Energie, die es gerade in herausfordernden Situationen braucht.
Bewahrenswertes: Bei aller Vorwärts- und Veränderungsbetrachtung, ist der Blick auf das das, was schon gut läuft und so bleiben soll wichtig.
Mit Fragen alleine ist es nicht getan. Es ist wichtig, sich mit den Grundlagen von Frage-Arten zu beschäftigen und sich so ein vielseitiges Repertoire aufzubauen. Das reicht jedoch nicht aus, damit daraus eine Schlüsselkompetenz fürs Coaching, Führung und das Miteinander wird.
Wenn Du darüber nachdenkst, fallen dir sicherlich einige Situationen ein, in welchen dir zwar eine gute Frage gestellt wurde, du jedoch im Anschluss das Gefühl hattest, dass sich dein Gegenüber gar nicht für die Antwort interessierte.
Da kam die Frage ohne ihre unabdingbaren "Mitspieler" daher. Damit aus dem Fragenstellen eine Schlüsselkompetenz wird, braucht es weitere Fähigkeiten und eine entsprechende Grundhaltung.
Offenheit und aufrichtiges Interesse
Ganz direkt gesagt: Eine Frage, zu welcher ich bereits eine Antwort habe, kann ich mir sparen. Dann wird die Frage nur zur Tarnung für ein Anliegen, welches ich äussern möchte. Offene Fragen brauchen eine "innere Interpretations-Leere" beim Fragenden. Dann können sie ihre wahre Magie entfalten, indem etwas Neues entdeckt werden kann.
Das funktioniert in allen Lebensbereichen. Unabhängig davon, ob Coaching, Teamführung, Erziehung, Partnerschaft etc. - das Entdecken von Neuem und anderen Perspektiven eröffnet Wege.
Aktives Zuhören
Populär und genauso herausfordernd wie gute Fragen, ist "aktives Zuhören". Es hängt unmittelbar mit obiger Offenheit zusammen. Im Wesentlichen beinhaltet aktives Zuhören:
Hören-Verstehen-Rückmeldung
Aus den Kommunikationswissenschaften und bei systemischen Betrachtungen spielt der Konstruktivismus eine grosse Rolle. Dieser handelt davon, dass Wirklichkeit im Auge des Betrachters geschaffen und interpretiert wird. Im Gespräch bedeutet es, dass das, was bei jemandem als Botschaft ankommt, nicht "automatisch" der Absicht des Absendenden entspricht. MIt Hören ist somit viel mehr gemeint, wie ein rein akustischer Vorgang.
Um eine Abstimmung von Gesagtem, Gehörtem und Gedachtem zu erreichen, folgt auf Hören das Verstehenwollen. Wenn jetzt hier allerdings einfach wiederholt wird, was das Gegenüber mehr oder weniger wörtlich gesagt hat und dann noch gefragt wird: "Stimmt das?", wird ziemlich sicher die Chance vertan, etwas Neues zu erfahren. Ertragreicher dürften gute, offene Fragen, gepaart mit wirklichem Interesse sein.
Besonders interessant ist für Coachs und Führungskräfte auch die Rückmeldung. Sie beinhaltet die Möglichkeit zusätzlicher Bestärkung, indem Ressourcen, Erfolge, neue Ideen und ähnliches angesprochen werden.
Gutes Fragen als Schlüsselkompetenz fürs Coaching
Gelingendes Fragen beinhaltet somit Wissen, Technik, eine Grundhaltung von Offenheit und Interesse, die Verknüpfung zum aktiven Zuhören und dann noch viel Übung.
Meines Erachtens ist die unvoreingenommene Offenheit einer der schwierigsten Teile. Wir hören zu und stellen Fragen, als die Person die wir sind, mit der eigenen Persönlichkeit. Das ist auch gut so. Sollten Grenzen der eigenen Offenheit erreicht worden sein, zum Beispiel wenn sich etwas überhaupt nicht mit den eigenen Werten vereinbaren lässt - dann steht jederzeit die Möglichkeit offen, dies genauso zu äussern.
Ich hoffe, mit diesem Beitrag ein Fenster aufgemacht zu haben, wie Fragen ihre Kraft dahingehend entwickeln können, dass sie im Miteinander das Verstehen und Verständnis fördern, Neues entdecken lassen und Perspektiven erweitern. Über Rückmeldungen und natürlich auch über Fragen freue ich mich. Schreib mich gerne per Mail an.
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